Meilensammler auf heikler Mission

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Brasiliens Nationaltrainer Felipe Scolari jettet um die Welt und bastelt am WM-Kader. Der Druck ist riesig, die Auswahl an Spielern auch.

Von Martina Farmbauer

München - Luiz Felipe Scolari präsentierte sich zuletzt gut gelaunt. Statt über Spielpositionen sprach er bei einem Trainerkongress in Lissabon über Sexstellungen.

"Wenn es normaler Sex ist, in Ordnung", sagte Brasiliens Nationaltrainer zum Thema, ob seinen Spielern der Beischlaf gestattet sei. Aber es gebe "bestimmte Formen, bestimmte Arten und andere Menschen, die Akrobatik vollführen" - das gehe nicht.

Vielleicht wollte der 65-Jährige auch einfach nur Dampf ablassen. Er hat eine heikle Mission (DATENCENTER: Der Spielplan der WM 2014).

Klarer Auftrag eines ganzen Landes

Brasilien erwartet von Scolari bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land im Juni und Juli diesen Jahres nichts weniger als den Titel (DIASHOW: Die Spielstätten der WM 2014).

Größer könnte der Druck kaum sein. Scolaris Art, damit umzugehen: Er hält alles von sich fern, was ihn ablenken könnte - und konzentriert sich auf das Wesentliche.

Kürzlich absolvierte er mit sechs Stationen in zehn Tagen ein so straffes Reiseprogramm wie sonst nur brasilianische Touristen auf Europatour.

Reise um die Welt

Er besuchte Barcelona, Paris, London, Lissabon, München sowie Hoffenheim und schaute sich die Spiele FC Barcelona gegen Atletico Madrid, Paris St. Germain gegen den FC Chelsea, FC Chelsea gegen Stoke City, FC Liverpool gegen Westham United, Benfica Lissabon gegen Rio Ave und den FC Bayern München gegen Manchester United an.

Dabei sahen beziehungsweise trafen Scolari, sein Technischer Direktor Carlos Alberto Parreira und Assistenztrainer Flavio Murtosa auch die brasilianischen Spieler Neymar, Dani Alves, Miranda, Filipe Luis, Diego, Thiago Silva, Alex, Maxwell, Lucas, Oscar, Ramires, Willian, David Luiz, Paulinho, Coutinho, Lucas Leiva, Dante, Rafinha, Luiz Gustavo, der aus Wolfsburg nach München gereist war, Roberto Firmino und Bruno Nazarino.

Fast alle Nationalspieler in Europa

Ein toughes Programm, aber notwendig. Der Vereinsfußball in Brasilien ist nicht mehr das, was er in den Siebziger Jahren einmal war.

Damals wechselte etwa Elias Figueroa, der größte chilenische Fußballspieler aller Zeiten, lieber zum SC Internacional Porto Alegre statt zu Real Madrid, wie er bei SPORT1 erzählte, um mit Pele, Gerson, Carlos Alberto, "all diesen Leuten", in einer Liga zu spielen.

Heute ist das unvorstellbar. Von Scolaris Kader beim Test gegen Südafrika in Johannesburg im März diesen Jahres standen 16 von 19 Spielern in Europa unter Vertrag, nur drei in Brasilien.

Fan des deutschen Fußballs

Der brasilianische Trainerfuchs weiß natürlich um diese Entwicklung. Aber Scolari kann nicht so einfach - wie Bundestrainer Joachim Löw es beispielsweise im Februar dieses Jahres gemacht hat - nach London jetten.

Eine Herausforderung, die wiederum nicht spezifisch brasilianisch ist, er teilt sie dadurch, dass Europa das Zentrum des Weltfußballs ist, mit allen Nationaltrainern, die nicht in Europa sind. Und sie lässt die Diskussion um Jürgen Klinsmann, als dieser Bundestrainer war und in den Vereinigten Staaten lebte, sehr deutsch erscheinen.

Ungewöhnlich ist, dass Scolari persönlich sich auf die Reise gemacht und all diese Spiele angeschaut hat, weil Nationaltrainer Brasiliens das bisher weitgehend haben machen lassen.

Aber der Mann, der als Spieler den Spitznamen "Holzfuß" bekam, ist ein großer Fan des europäischen und allen voran des deutschen Fußballs.

Rafinha wohl dabei

Scolari ist der Sportsendung "Globo Esporte" zufolge zwei Monate vor Beginn der WM am 12. Juli allerdings nicht deshalb gekommen, er hat seine Spieler auch nicht nur beobachtet; sondern er hatte für sie auch schon die Nachrichten im Gepäck, wer zum Kader für die Weltmeisterschaft gehören wird, den er am 7. Mai berufen wird. Und wer nicht.

Weder er noch Parreira sprechen über mögliche Namen. In einem Interview mit dem Nationalmannschafts-Blog der "Folha de Sao Paulo" ließ dieser jedoch durchblicken, dass Maicon vom AS Rom wohl von der Liste gestrichen ist.

Auch wenn ein Vertrauer Rafinhas dies bei SPORT1 nicht bestätigen wollte, so würde es umgekehrt bedeuten, das der Außenverteidiger des FC Bayern München darauf steht.

Liste fast geschlossen

"Die Liste ist zu 95 Prozent geschlossen", sagte Scolari in Lissabon. Seine Europareise hätte vor allem psychologischen Charakter gehabt.

"Diese Vorbereitung muss weit vor der Weltmeisterschaft beginnen", sagte er. "Ich habe den Spielern gesagt, dass sie ruhig bleiben sollen, denn ob sie in ihren Klubs spielen oder nicht, sie haben mein Vertrauen."

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Spitzname "Feldwebel"

Scolari gilt als streng - sein Spitzname als Trainer ist "Feldwebel" -, ihm ist Charakter wichtig und Diven haben keine Chance. Ein Trainergenie wie es etwa Felipe Santana war, Coach der legendären selecao von 1982, ist Luiz Felipe Scolari nicht, aber er kann sehr gut mit Gruppen arbeiten.

Weil offensichtlich auch "Felipao", der große Felipe, wie er in portugiesischsprachigen Ländern genannt wird, nie auslernt, liest er in der Endphase der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft "The Servant " von James Hunter.

Die Botschaft des Buches: Führungskräfte sollten gut mit ihren Mitarbeitern umgehen, damit diese gute Leistungen bringen.

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