Derbys entflammen Sicherheitsdebatte

Abbrechen

Nach dem Pyro-Chaos beim Revier-Derby und Ost-Derby herrscht Bestürzung. Die Sicherheitsdebatte dürfte entflammen.

Von Christian Paschwitz,
Nils Hotze und Andreas Reiners

München/Gelsenkirchen - Es waren lebensbedrohliche Szenen in Gelsenkirchen und Dresden:

Brandgefährliche Chaoten verbreiteten mit massivem Pyrotechnik-Einsatz in mehreren Stadien Schrecken - und entfachten eine neue Sicherheitsdiskussion.

Das Ruhrpott-Derby zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund (1:3) wurde nach Ausschreitungen im Gästeblock mit Verspätung angepfiffen. Bengalische Feuer flogen aufs Feld, Leuchtraketen schlugen sogar in Sitzplatzblöcken ein. (Bericht)

Im brisanten Ostduell der Zweiten Liga zwischen Dynamo Dresden und Energie Cottbus (1:0) tobte ebenfalls der Mob inmitten friedlicher Auswärtsfans - das Spiel stand kurz vor dem Abbruch. (Bericht)

Heldt klagt an: "Eine neue Dimension"

Die Protagonisten sind bestürzt - Schalkes Manager Horst Heldt sprach gar von "einer neuen Dimension".

Zu Recht oder ist das eine übertriebene Reaktion? Zumal Ausschreitungen mit Pyrotechnik im Fußball seit Jahren zu beklagen sind, es immer wieder Krawalle gibt, insbesondere in Derbys.

SPORT1 ordnet die Geschehnisse ein.

• DAS IST ANDERS:

Die Gewalt richtet sich nun auch gegen normale Fans, Auseinandersetzungen sind keine Angelegenheit mehr nur unter Hooligans oder Ultras.

Bedenklich: Beim 143. Revierderby wurden ganz gezielt Unbeteiligte angegriffen.

Die aus dem BVB-Block abgefeuerten Böller schlugen im Schalker Sitzplatzbereich ein - also dort, wo Familien mit Kindern, Frauen und Rentner Platz nehmen.

Selbst Weidenfeller beschossen

Und: Selbst Spieler der eigenen Mannschaft werden attackiert.

Als Dortmunds Keeper Roman Weidenfeller die Situation beruhigen wollte, musste er einer auf sich zufliegenden Rakete ausweichen.

"Das ist einfach lebensgefährlich", kommentierte Heldt.

• DAS SAGEN DIE SPIELER:

Die Spieler zeigen sich ebenso geschockt.

"Es muss immer gewährleistet sein, dass Familien auch ins Stadion gehen können", sagte Weidenfeller, der aber trotz der Raketen auf ihn selbst "keine Angst vor unseren Fans hat. Man darf nicht alle über einen Kamm scheren."

Möhrle: "Schande für den Fußball"

Uwe Möhrle wiederum, der während der Unterbrechung bei der Partie Dynamo gegen Cottbus per Stadionmikrofon an die Randalierer appellierte, sich ordentlich zu benehmen, ist außer sich.

"Das ist eine Schande für den Fußball", sagte der Energie-Kapitän nach Abpfiff bei "Sky", "ich habe keine Lust, über so etwas überhaupt zu sprechen."

Redebedarf ist allerdings auf vielen Ebenen vonnöten.

• DAS SAGEN DIE KLUB-VERTRETER:

"Das sind unschöne Bilder. In so einem Moment schämt man sich", ergänzte Dortmunds Coach Jürgen Klopp. "Das hat nichts mit Atmosphäre zu tun, sondern das sind im wahrsten Sinne des Wortes Störfeuer. Ich fürchte, dass es beim Rückspiel eine Reaktion geben wird."

Hans-Joachim Watzke kündigte bereits harte Konsequenzen an.

"Das ist einfach asoziales Verhalten. Ich verpreche, dass wir etwas unternehmen werden", prophezeit der BVB-Geschäftsführer ein rigoroses Vorgehen gegen die Täter. "Wir können schon einschätzen, wer die Rädelsführer waren."

• DAS SAGT DIE POLIZEI:

Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen - und die Vereine in die Pflicht.

"Wir werden das Filmmaterial auswerten. Aber es wird uns gewisse Probleme bereiten, weil die Täter stark vermummt waren", sagte Johannes Schäfers.

Gelsenkirchens Polizeisprecher stellte klar, dass der Verein das Hereinschmuggeln von Feuerwerkskörpern unterbinden muss: "Die Kontrollen sind Aufgabe des Ordnungsdienstes, nicht der Polizei."

• DAS SAGT DIE DEUTSCHE FUSSBALL-LIGA (DFL):

Und was macht die Deutsche Fußball-Liga (DFL)?

Bisher wenig Konkretes.

"Wir verurteilen die Vorfälle aufs Schärfste. Hier werden von Einzelnen Verletzungen anderer billigend in Kauf genommen", sagte Andreas Rettig auch mit Hinweis auf die schweren Sachbeschädigungen, Verwüstung und Vandalismus im Gästeblock.

"Jetzt gilt es", ergänzte der DFL-Geschäftsführer, "dass die Polizei gemeinsam mit den Klubs die Täter schnellstmöglich ermittelt, damit diese gezielt bestraft werden."

• DAS KÖNNTE DROHEN:

Wie allerdings die Ursachen des Problems erfolgreich bekämpft werden können, lässt sich aktuell kaum vorhersehen.

Es ist zu erahnen, dass sich erneut die Polizei-Gewerkschaft mit ihrer Forderung nach Steuergeldern für den Kampf gegen die Gewalt im Fußball zu Wort meldet.

Neu entbrennen dürfte auch die Debatte über die Abschaffung der Stehplätze.


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