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Tag eins nach dem Drama verläuft emotional. Zuniga erhält Morddrohungen - und entschuldigt sich. Neymar spricht zur Nation.
Von Christoph Lother
München - Neymar lächelte gequält, hob den linken Arm und winkte noch ein letztes Mal in die Kamera.
Dann war er weg - und mit ihm ein Großteil der brasilianischen Hoffnungen auf den Gewinn des sechsten WM-Titels.
Per Hubschrauber wurde der verletzte Star der Selecao am Samstag aus dem Mannschaftsquartier in Teresopolis zu seiner Familie nach Guaruja, einer 300.000-Einwohner-Stadt in der Nähe von Sao Paulo, gebracht.
Dort soll sich der 22-Jährige in den kommenden Tagen zumindest ein Stück weit von dem Schock erholen, der beim 2:1-Erfolg der Brasilianer im Viertelfinale gegen Kolumbien das ganze Land erschüttert hatte (NACHBERICHT: Die Wut nach dem Neymar-Schock).
Sechs Wochen Pause für den Superstar
"Genauso wie Brasilien mache ich gerade eine schwere Zeit durch. Für mich ist die WM gelaufen, aber ich werde alles versuchen, um schnell wieder da zu sein", erklärte Neymar in einer tränenreichen Videobotschaft.
Tags zuvor hatte der Offensivmann vom FC Barcelona bei einem rüden Foul des Kolumbianers Juan Zuniga in der 88. Minute eine Fraktur eines Querfortsatzes des dritten Lendenwirbels erlitten (BERICHT: So gefährlich ist ein Wirbelbruch).
Nach Auskunft des brasilianischen Teamarztes Jose Luiz Runco wird er 40 bis 45 Tage ausfallen und habe "viel geweint", als er die Nachricht vom vorzeitigen WM-Aus erhielt.
"Ich bedanke mich bei allen für die vielen Genesungswünsche und Nachrichten", sagte Neymar und versprach: "Ich werde bei der nächsten Weltmeisterschaft spielen."
Gegen Deutschland im Stadion?
Die in seiner Heimat wird Neymar fortan nur noch als Zuschauer erleben - womöglich aber immerhin im Stadion.
"Er hat keine neurologischen Verletzungen und keine Probleme, die seine Zukunft als Fußballer gefährden", erklärte Teamarzt Runco auf einer Pressekonferenz.
Der Dribbelkünstler müsse momentan ein Stützkorsett tragen, berichtete Runco.
Wenn er schmerzfrei sei, könne Neymar beim Halbfinale gegen Deutschland am Dienstag in Belo Horizonte aber auf der Tribüne Platz nehmen.
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Neymar glaubt dennoch an den Titel
Daran, dass die Selecao die vorletzte Hürde auf dem Weg zum ersehnten Titel auf heimischem Boden auch ohne ihn erfolgreich nehmen wird, ließ der Stürmerstar keinen Zweifel.
"Der Traum für Brasilien ist nicht zu Ende", sprach er seinen zutiefst getroffenen Landsleuten Mut zu:
"Ich bin mir sicher, dass die Mannschaft den Titel holen und Brasilien damit glücklich machen wird."
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Morddrohungen gegen Zuniga
Doch das wird schwer genug.
Auch einen Tag nach dem Drama von Fortaleza hatten sich die aufgebrachten Menschen in Brasilien noch nicht beruhigt.
So erhielt der kolumbianische "Übeltäter" Zuniga Morddrohungen, in den sozialen Netzwerken wurde er wegen seines folgenschweren Tritts als "Monster" und "größter Verbrecher der Fußball-Geschichte" beschimpft.
Der brasilianische Fußball-Verband CBF kündigte an, eine Klage gegen den 28-Jährigen zu prüfen (DIASHOW: Die Bilder des Spiels).
Kolumbianer entschuldigt sich
Zuniga selbst beteuerte unterdessen, den Torjäger nicht absichtlich verletzt zu haben.
"Ich wollte ihn nie verletzten", sagte der Verteidiger vom SSC Neapel dem brasilianischen TV-Sender "O Globo": "Wenn ich auf dem Feld stehe, tue ich alles, um mein Land und das Trikot, das ich trage, zu verteidigen - aber immer ohne die Absicht, jemanden zu verletzen."
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Bei Instagram schrieb er zudem: "Ich bedaure zutiefst die traurige Verletzung, die Neymar im Spiel erlitten hat. Ich fühle mich bedrückt durch diese Situation, die aus einer normalen Aktion resultierte."
Dann wandte sich Zuniga direkt an den Pechvogel: "Ich möchte dir einen speziellen Gruß schicken, Neymar. Ich bewundere und respektiere dich und sehe dich als einen der besten Spieler der Welt. Ich hoffe, du wirst wieder gesund und kommst schnell wieder zurück, damit du uns alle animierst, im Fußball einen Sport voller Tugenden und besonderer Qualitäten zu sehen."
Auch Blatter leidet mit Neymar
Zuniga war bei weitem nicht der einzige, der an diesem für alle Brasilianer so emotionalen Tag aufmunternde Worte an Neymar richtete.
Ob im Lager des kommenden Halbfinal-Gegners aus Deutschland, im Land des brasilianischen Erzrivalen Argentinien oder sonst irgendwo in dieser Fußball-Welt - allerorts fühlten sie mit dem verletzten Superstar.
Sogar FIFA-Präsident Joseph S. Blatter bekundete via Twitter sein Mitleid.
"Die Weltmeisterschaft hat nun einen Star weniger", schrieb der Schweizer: "Erholen Sie sich gut und kommen sie auf den Platz zurück."
Oder zumindest erst mal auf die Tribüne.
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