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Der Niederländer soll seinen Lieblingsklub aus der sportlichen Krise führen. Ein Landsmann äußert Zweifel am "Novizen".
Von Holger Luhmann
Mailand/München - Clarence Seedorf hat zahlreiche Hände geschüttelt und viele Menschen umarmt seit seiner Ankunft am Mittwoch.
Der neue Trainer des AC Mailand, der als begnadeter Fußballer zehn Jahre lang eine große Ära der Rossoneri mitprägte, hat noch eine Menge Freunde und Bekannte bei den Lombarden. Unter anderem befinden sich sieben ehemalige Mitstreiter im aktuellen Kader. Allen voran Kaka.
Das ist aber auch eins der Mailänder Probleme. Das Team ist in Teilen veraltet oder nicht erstklassig besetzt. Trotzdem soll und will Seedorf den AC in seiner neuen Funktion als Trainer aus der sportlichen Krise führen und zu frischem Glanz verhelfen.
"Wieder an die Spitze bringen"
Seedorf ist davon überzeugt, dass ihm dies gelingen wird.
"Ein Klub verliert nicht seine DNA. Man kann vielleicht ein Virus haben, doch der Anti-Virus ist schon unterwegs", sagte der 37-Jährige am Samstag bei seiner ersten offiziellen Pressekonferenz als neuer Trainer des 18-maligen italienischen Meisters.
Schon vorab hatte Seedorf im vereinseigenen Milan-Channel Optimismus versprüht: "Ich habe den Klub im Mai 2012 am Ende einer Ära verlassen. Meine Arbeit ist jetzt, eine neue Ära zu beginnen", versprach er vollmundig: "Ich werde den AC Milan wieder an die Spitze des Fußballs bringen."
Es wird ein langer steiniger Weg. In der Serie A dümpelt Milan auf Platz elf. 30 Punkte hinter Spitzenreiter Juventus Turin. (DATENCENTER: Serie A) Meilenweit hinter den eigenen Ansprüchen.
"Enthusiasmus verleihen"
Seine Trainer-Premiere hat der Niederländer aus Surinam im San-Siro-Stadion erfolgreich absolviert. Gegen Hellas Verona mit dem früheren Bayern-Stürmer Luca Toni gewannen die Rossoneri mit 1:0 (News).
Im Hinspiel traf Toni bei Veronas 2:1-Sieg doppelt und leitete Milans schaurige Saison ein, die in dem 3:4 bei Aufsteiger US Sassuolo und dem Rauswurf von Trainer Massimiliano Allegri vorerst ihren Tiefpunkt fand.(Bericht).
Unter Seedorf, der in Mailand Teilhaber eines Juweliergeschäftes ist, soll nun alles besser werden. So schnell wie möglich. Seedorf will als Erstes, quasi Kraft seiner Legende, den Spielern "Enthusiasmus und Sicherheit verleihen".
"Konnte Berlusconi nicht nein sagen"
Für seinen Lieblings-Verein beendete Seedorf nach 18 Monaten kurzerhand sein Engagement beim brasilianischen Renommierklub Botafogo und zog nach 22 Jahren einen Schlussstrich unter seine aktive Karriere als Fußballer.
Nach einer emotionalen Abschieds-Pressekonferenz im Land des Rekord-Weltmeisters machte er den fliegenden Holländer und bestieg die nächste Maschine von Rio nach Mailand.
Dem Werben von Klub-Besitzer Silvio Berlusconi konnte Seedorf einfach nicht widerstehen. "Ich konnte Silvio Berlusconi nicht nein sagen", erklärte Seedorf und unterschrieb am Donnerstag einen Vertrag bis 2016.
Drei Millionen Euro Jahresgehalt
In Mailand soll Seedorf pro Jahr drei Millionen Euro verdienen - netto.
Zwar ist Berlusconi nach einer 500-Millionen-Geldbuße und den beträchtlichen Unterhaltszahlungen für seine zweite Ex-Frau für seine Verhältnisse derzeit nicht gerade auf Rosen gebettet und hat als verurteilter Steuerbetrüger wenig erträgliche neun Monate gemeinnützige Arbeit vor sich.
Doch ein paar Millionen ist dem ehemaligen Ministerpräsidenten und einstmals reichsten Mann Italiens die Verpflichtung von Seedorf dann doch wert.
Van-Basten-Kritik am "Novizen"
Dabei hat Seedorf noch gar kein Trainer-Diplom. Doch für den einstmals begnadeten Fußballer, der als einziger Spieler mit drei verschiedenen Klubs viermal die Champions League gewann - davon zweimal mit Mailand - macht der italienische Verband eine Ausnahme.
Seedorf erhält eine Sondergenehmigung, weil er die UEFA-Trainerlizenz A bereits besitzt und im April mit der nötigen Pro-Lizenz rechnen kann.
In Mailand sorgt Seedorf aber nicht nur für eine neue Aufbruchstimmung, sondern wegen seiner Unerfahrenheit als Trainer auch für Bedenken.
Zu den Kritikern gehört Marco van Basten, der in der jetzigen Misere lieber einen "erfahrenen Trainer statt eines Novizen" auf der Bank gesehen hätte.
Allerdings muss man wissen, dass van Basten und Seedorf nicht gerade Busenfreunde sind.
Balotelli vertraut Seedorf
Im Gegensatz zu van Basten ist Milan-Stürmer Mario Balotelli von Seedorf überzeugt. "Es ist gut, dass er viele Spieler noch von früher kennt. Das kann für uns nur positiv sein", sagte der extrovertierte Angreifer.
Balotelli hält große Stücke auf Seedorf: "Er war ein großer Spieler und hat alles gewonnen. Wir können ihm vertrauen."
Seedorf muss nun zeigen, ob er auch als Trainer ein Großer ist.