WM-Hitchcock: Vettel atemlos zum Titel-Triple

Abbrechen

Vettels Bolide droht beim Finale in Flammen aufzugehen, doch der Champion behält einen kühlen Kopf. Alonso hadert mit dem Auto.

Von Felix Götz

München - Es war eine merkwürdige Siegerehrung.

Jenson Button, Fernando Alonso und Felipe Massa standen auf dem Podest, während der wahre Champion grinsend wie ein Honigkuchenpferd durch die Boxengasse hüpfte.

Sebastian Vettel hatte sich soeben zum jüngsten Dreifach-Weltmeister der Formel-1-Historie gekrönt. Dafür genügte dem Red-Bull-Piloten der sechste Platz beim Großen Preis von Brasilien ( Rennbericht).

"Da bleibt einem der Atem weg. Es ist natürlich etwas ganz Besonderes", sagte der 25-Jährige.

Ein knallhartes Stück Arbeit

Der großen Jubel-Arie war ein knallhartes Stück Arbeit vorangegangen. Den Titel-Hattrick einzutüten erwies sich als deutlich komplizierteres Unterfangen, als es die meisten Experten vorhergesagt hatten.

Ein Startcrash und Wetterkapriolen machten aus dem Saisonfinale auf dem Autodromo Jose Carlos Pace, das angesichts der um drei Plätze besseren Startposition Vettels und dem 13-Punkte-Vorsprung auf Alonso in der Fahrerwertung schon im Vorfeld entschieden schien, einen Thriller a la Hitchcock. (DIASHOW: Bilder des Rennens)

"Ich bin in diesem Rennen um 15 Jahre gealtert", meinte der völlig erschöpfte Red-Bull-Teamchef Christian Horner zu "Sky".

Red Bull wettert gegen Senna

Komplett in Aufruhr brachte die "Bullen"-Crew eine atemberaubende Situation kurz nach dem Start, als Williams-Fahrer Bruno Senna von hinten in Vettels RB8 schoss.

"So etwas Dummes, was Senna da gemacht hat", schimpfte Horner bei "RTL": "Das hätte das Ende sein können."

Und Vettel ergänzte: "Das Grab von Ayrton Senna ist ja hier in der Nähe. Ich muss mal an das Grab gehen und ihm sagen, was sein Neffe hier gemacht hat."

Angst vor Feuer

Vettel fiel auf Platz 22 zurück, zudem war das Auspuffsystem an seinem Boliden beschädigt. Am Kommandostand lagen die Nerven blank.

"Wir dachten, das Auspuffrohr würde brechen und das Auto Feuer fangen", schilderte Red-Bull-Chefdesigner Adrian Newey die bangen Momente: "Wir konnten nur noch die Daumen drücken."

Das Auto hielt, und Vettel machte sich ähnlich wie in Abu Dhabi im Stile eines ganz Großen auf zu einer verrückten Aufholjagd.

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10 Fragen zum Brasilien-GP

"Was er da gemacht hat, war unglaublich. Er war teilweise der Schnellste auf der Strecke", lobte Horner seinen Weltmeister-Piloten.

"Ein Alptraumszenario"

Später im Rennen hatte der Rennstall aus Milton Keynes weitere heikle Momente zu überstehen.

Kaum hatte die Crew Slicks auf den RB8 aufmontiert, fielen Regentropfen, und Vettel kehrte zurück in die Box um Intermediates abzuholen.

Das Team war darauf aber nicht vorbereitet, weil das Mikrofon in Vettels Helm verrutscht war und sie seine Ankündigung nicht hören konnten. Prompt lagen nur drei Reifen parat, der Boxenstopp dauerte eine halbe Ewigkeit.

"Ein Alptraumszenario", sagte Newey. Und Renningenieur Guillaume Rocquelin fügte hinzu: "Wir haben gedacht, dass die WM weg sei."

Eine heftige Party?

Trotz aller Schwierigkeiten hielt Vettel sein Team auf Kurs und fuhr den Titel nach Hause. "Hätte, Wenn und Aber ist wurscht. Am Ende ist wichtig, dass wir es geschafft haben", jubelte der 26-malige Grand-Prix-Sieger.

Enge Siege sind ohnehin am schönsten, die Party in Sao Paulo dürfte es also in sich haben.

"Sicher gibt es morgen einige dicke Köpfe", witzelte Horner.

"Ich bin sehr stolz"

Die gibt es möglicherweise auch bei Ferrari. Die Scuderia konnte Vettel zwar nicht vom Thron stoßen, sie bot Red Bull aber über die gesamte Saison hinweg einen erbitterten Kampf.( DATENCENTER: WM-Endstand)

"Ich bin sehr stolz auf unser Team", meinte Alonso, dem letztlich nur drei Pünktchen auf Vettel fehlten und der ebenso unter den Bedingungen litt:

Weltmeister seit 1950

2012

Sebastian Vettel (Deutschland, Red Bull Racing)

2011

Sebastian Vettel (Deutschland, Red Bull Racing)

2010

Sebastian Vettel (Deutschland, Red Bull Racing)

2009

Jenson Button (England, Brawn GP)

2008

Lewis Hamilton (England, McLaren-Mercedes)

2007

Kimi Räikkönen (Finnland, Ferrari)

2006

Fernando Alonso (Spanien, Renault)

2005

Fernando Alonso (Spanien, Renault)

2004

Michael Schumacher (Deutschland, Ferrari)

2003

Michael Schumacher (Deutschland, Ferrari)

2002

Michael Schumacher (Deutschland, Ferrari)

2001

Michael Schumacher (Deutschland, Ferrari)

2000

Michael Schumacher (Deutschland, Ferrari)

1999

Mika Häkkinen (Finnland, McLaren-Mercedes)

1998

Mika Häkkinen (Finnland, McLaren-Mercedes)

1997

Jacques Villeneuve (Kanada, Williams-Renault)

1996

Damon Hill (England, Williams-Renault)

1995

Michael Schumacher (Deutschland, Benetton-Renault)

1994

Michael Schumacher (Deutschland, Benetton-Ford)

1993

Alain Prost (Frankreich, Williams-Renault)

1992

Nigel Mansell (England, Williams-Renault)

1991

Ayrton Senna (Brasilien, McLaren-Honda)

1990

Ayrton Senna (Brasilien, McLaren-Honda)

1989

Alain Prost (Frankreich, McLaren-Honda)

1988

Ayrton Senna (Brasilien, McLaren-Honda)

1987

Nelson Piquet (Brasilien, Williams-Honda)

1986

Alain Prost (Frankreich, McLaren-Porsche)

1985

Alain Prost (Frankreich, McLaren-Porsche)

1984

Niki Lauda (Österreich, McLaren-Porsche)

1983

Nelson Piquet (Brasilien, Brabham-BMW)

1982

Keke Rosberg (Finnland, Williams-Ford)

1981

Nelson Piquet (Brasilien, Brabham-Ford)

1980

Alan Jones (Australien, Williams-Ford)

1979

Jody Scheckter (Südafrika, Ferrari)

1978

Mario Andretti (USA, Lotus-Ford)

1977

Niki Lauda (Österreich, Ferrari)

1976

James Hunt (England, McLaren-Ford)

1975

Niki Lauda (Österreich, Ferrari)

1974

Emerson Fittipaldi (Brasilien, McLaren-Ford)

1973

Jackie Stewart (Schottland, Tyrrell-Ford)

1972

Emerson Fittipaldi (Brasilien, Lotus-Ford)

1971

Jackie Stewart (Schottland, Tyrrell-Ford)

1970

Jochen Rindt (Österreich, Lotus-Ford)

1969

Jackie Stewart (Schottland, Matra-Ford)

1968

Graham Hill (England, Lotus-Ford)

1967

Denis Hulme (Neuseeland, Brabham-Repco)

1966

Jack Brabham (Australien, Brabham-Repco)

1965

Jim Clark (Schottland, Lotus-Climax)

1964

John Surtees (England, Ferrari)

1963

Jim Clark (Schottland, Lotus-Climax)

1962

Graham Hill (England, BRM)

1961

Phil Hill (USA, Ferrari)

1960

Jack Brabham (Australien, Cooper-Climax)

1959

Jack Brabham (Australien, Cooper-Climax)

1958

Mike Hawthorne (England, Ferrari)

1957

Juan Manuel Fangio (Argentinien, Maserati)

1956

Juan Manuel Fangio (Argentinien, Ferrari)

1955

Juan Manuel Fangio (Argentinien, Mercedes)

1994

Juan Manuel Fangio (Argentinien, Maserati/Mercedes)

1953

Alberto Ascari (Italien, Ferrari)

1952

Alberto Ascari (Italien, Ferrari)

1951

Juan Manuel Fangio (Argentinien, Alfa Romeo)

1950

Dr. Nino Farina (Italien, Alfa Romeo)

"Zeitweise kam es nicht mehr darauf an, schneller oder langsamer zu fahren, sondern einfach nur auf der Strecke zu bleiben, um es bis in die Box zum Reifenwechsel zu schaffen."

Alonso hadert mit Auto

Und dann haderte der Spanier noch mit seinem Boliden, dem es in diesem Jahr öfter an Konkurrenzfähigkeit im Vergleich zu Red Bull mangelte:

"Wäre unser Auto so gut wie das der Konkurrenz gewesen, dann hätten wir den Titel schon ein paar Rennen vor Schluss gewinnen können."

Aber wie sagte Vettel so schön? "Hätte, Wenn und Aber ist wurscht."


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